Paraschat HaSchawua
Der wöchentliche Toraabschnitt Kommentiert von Nechama Leibowitz

Sefer Schemot - Buch Exodus:
Sidra Wa'era - Kann ein Wunder überzeugen?
So Pharao zu euch redet und spricht:
Tuet ein Wunder! so sprich zu Aharon:
Nimm deinen Stab und wirf ihn hin vor Pharao!
er wird zur Schlange werden.
(Exodus 7,9)
Diese Instruktion erhält Moses bevor er zum zweiten Mal zu
Pharao geht. Beim ersten Mal war ihre Audienz mit ihm von keinem Zeichen
oder Wunder begleitet. Sie kamen "im Namen des Gottes Israel" zu Pharao und
präsentierten ihre Bitte: "Entlasse mein Volk!" Angesichts von Pharaos
blasphemischer Antwort "Ich kenne nicht den Ewigen und auch werd' ich Israel
nicht entlassen", hatten sie keine Antwort. Der Pharao reagierte, indem er
die Knechtschaft intensivierte. Bei dieser Gelegenheit jedoch erschienen die
beiden Boten Gottes abermals, diesmal jedoch begleitet von einem Wunder.
Aber sie wurden gewarnt, Gottes Macht nicht zu manifestieren
und das Wunder nicht auszuführen, bevor der Pharao solche Beweise forderte.
Alschich betonte, daß Gott gesagt hatte:
Tue das Wunder nicht freiwillig, da man glauben wird, du habest eine
solche Zauberei vorbereitet, sondern warte, bis der Pharao sagt: "Tue ein
Wunder."
Aber Abravanel fragt:
Warum sollte sie der Pharao um all dies fragen?
Sicherlich hatte er weder den Wunsch, ihre Botschaft zu hören noch ihre
Wunder zu sehen, wie er ihnen bei der ersten Audienz mitteilte. Wie konnte
Gott dann sagen, daß sie der Pharao um ein Wunder fragen würde, als ob es
sein Wunsch wäre?
Es gibt hier sogar eine noch ernstere Schwierigkeit. Achas,
der König von Juda verschmähte das Angebot des Propheten Jesaja, das
Versprechen Gottes durch ein Zeichen zu bestärken.
So erklärt der Midrasch die Ablehnung:
Jesaja sagte zu ihm: "Erbitte dir ein Zeichen vom Ewigen,
deinem Gott, aus der Tiefe der Sche'ol oder hoch oben aus der Höhe", d. h.,
daß Elias vom Himmel herabsteigen solle. Er antwortete ihm: Ich weiß, er hat
die Macht, dies zu tun, aber ich will den Namen des Himmels nicht durch mich
heiligen, wie es heißt: "Ich will keins erbitten und den Ewigen nicht
versuchen." (Jesaja 7, 11-12)
(Tanhuma Jaschan, Wajeze 92)
Wenn dies die Haltung des Königs von Juda, Achas, war, um
wieviel mehr hätte der Pharao abgelehnt. Würde er es wünschen, den Namen des
Himmels zu heiligen, die Macht zu demonstrieren durch Zeichen und Wunder,
vor all seinen Weisen und Zauberern?
Es ist vernünftig, die Ansicht zu akzeptieren, der Pharao
sei sicher gewesen, diese beiden alten Männer ausländischer Herkunft wären
nicht imstande, ein Wunder zu produzieren. Und genau deswegen würde er eines
fordern. Erinnern wir uns, was zwischen der ersten und zweiten Audienz
geschah (Vers 1-4): Verschlimmerung der Knechtschaft, was die Vertreter der
Kinder Israels, die ihre Brüder im Elend sahen, veranlasste, zum Pharao zu
laufen, um für sich und ihre Brüder zu intervenieren. Als ihre Bemühungen
keinen Erfolg hatten, wandten sie sich an Moses und Aaron und betrachteten
diese - und nicht den Pharao - als Quelle ihrer Schwierigkeiten. Sie hätten
den Pharao erzürnt, das Ansehen des Volkes vermindert und die
Verschlimmerung der Leiden verursacht. Der Pharao hatte sein Ziel erreicht.
Die Steigerung der Verfolgungen intensivierte nicht den Haß auf ihn, sondern
erweckte in den Massen ein Mißtrauen gegen die Führer und sogar Animositäten
ihnen gegenüber. Was noch blieb, war, beide in der Öffentlichkeit zu
entehren und ihre Unfähigkeit zu zeigen. Dann würden sie allein dastehen,
angeprangert nicht nur von den Weisen und Zauberern, sondern sogar vom
eigenen Volk. Daher würde der Pharao sagen: "Tut ein Wunder für euch"
(nicht, wie er sonst zu sagen pflegte: "Tut mir ein Wunder."), da er kein
Wunder brauchte. Er hatte von Anfang an gewusst, daß diese beiden Emissäre
machtlos waren. Aber er sagte: Wenn ihr eure Macht zeigen wollt, im
Gegenteil, tut ein Wunder für euch selbst, und wir werden sehen!"
Alschich, der normalerweise das Wort "le'mor" - "sagen" - im
Sinn von "zu anderen sagen" interpretiert, ist gezwungen, hier eine Ausnahme
zu machen: "So Pharao zu euch redet und spricht: Tuet ein Wunder." Er
erklärt diesen Zwang damit, daß Pharao das Wunder nur fordert, um etwas
gegen Moses zu sagen, um Moses' Unfähigkeit zeigen zu können, und nicht um
die Authentizität von Moses' Mission zu beweisen.
Da das Wunder nicht nur dazu gedacht war, den Pharao
aufzureiben, sondern auch, um die Mission der Emissäre glaubhaft zu machen,
wurde dem Pharao nicht dasselbe Wunder gewährt wie Israel. Moses gab den
Israeliten ein besonderes Zeichen:
Wirf ihn auf die Erde! Und er warf ihn auf die Erde, und
er ward zur Schlange ("Nachasch" = "Schlange")
Und dies ist das Zeichen für den Pharao:
Und Aharon warf den Stab hin vor Pharao und vor seinen
Knechten, und er ward zur Schlange ("Tanin" = "Krokodil")
Dieser Unterschied wird von Cassuto in seinem Kommentar zu
Exodus nur vage interpretiert:
Statt der zur Wüste passenden Schlange, in deren Zeichen das Wunder Moses
übermittelt wurde, erscheint hier das Krokodil, passend zum Milieu in
Ägypten.
Aber Cassuto beobachtet nicht die Essenz dieser Verwandlung
von der Schlange in das Krokodil, wie sie der Midrasch schildert:
Der Ewige sagte: Dieser Bösewicht prahlt und nennt sich ein Krokodil, wie
es heißt (Ezechiel 29, 3): Pharao, König von Ägypten, du großes Krokodil,
das inmitten seiner Nile lagert." Geh, sage ihm: Sieh diesen Stab, ein Stück
trockenes Holz, das zu einem Krokodil werden und alle anderen Stäbe
verschlingen wird. Und dann wird es wieder zu einem trockenen Stück Holz
werden.
Auch dich schuf ich aus einem fauligen Tropfen und gab dir ein Königreich.
Und du prahlst und sagst: "Mir gehören meine Nile, ich habe sie geschaffen."
Siehe, ich werde dich ins Nichts und Chaos zurückwerfen. Du verschlangst die
Stäbe aller Stämme der Kinder Israels, siehe, ich werde machen, daß du
wieder herauswürgst, was du verschlungen hast.
Was Gott befohlen hatte, wurde ausgeführt:
Und Moscheh und Aharon kamen zu Pharao und taten so, wie
der Ewige geboten: und Aharon warf den Stab hin vor Pharao und vor seinen
Knechten, und er ward zur Schlange (Tanin).
Wie es immer wieder der Fall ist, verzichtet die Tora auf
unnötige und mühevolle Wiederholungen. Die Forderung des Pharao "Tuet ein
Wunder" wird ausgelassen, und die gesamte Aktion wird in einem einzigen Vers
zusammengepresst.
Unsere Weisen kommentierten:
"... und taten so, wie der Ewige geboten" - sie taten nichts, bis der
Pharao von ihnen ein Zeichen verlangte, wie ihnen der Ewige gesagt hatte.
Und erst dann warf Aaron den Stab hin.
In Or HaChaim wird derselbe Punkt aus einer unnötigen
Verdopplung hervorgebracht:
Die Verdopplung (1) "so" - (2) "wie der Ewige geboten" (entweder das eine
oder andere hätte genügt) trägt eine zweifache Implikation: (1) sie taten
genau, was gefordert wurde (2) sie taten es nicht, bis der Pharao das
Zeichen forderte) - wie der Ewige es geboten hatte.
Damit beobachten wir, daß die Ausführung des Wunders, sogar
mit dem Symbolismus der Zerstörung Ägyptens, auf den Pharao keinen Eindruck
machte. Warum? Der Midrasch gibt uns eine Antwort und erklärt, wie der
Pharao die Logik des Wunders vermied und eine bequeme Rationalisierung
erfand, die den Schrecken und jeglichen Einfluß des Zeichens unterdrückte.
"Und Pharao rief auch die Weisen und Zauberer." In diesem Moment
verspottete sie der Pharao, gackerte wie ein Huhn und sagte zu ihnen: So
sind die Wunder eures Gottes! Es ist üblich, Ware dorthin zu bringen, wo sie
gebraucht wird. Bringt man Fische nach Akko? (= Eulen nach Athen) Wisst ihr
nicht, daß ich der Meister der Zauberkunst bin? Er ließ sofort die Kinder
aus der Schule bringen, damit sie gleiches täten. Und dann rief er seine
Frau, die auch zauberte. ... Jochanai und Mammre (zwei Zauberer) sagten zu
Moses: Du trägst Stroh nach Afaraim (eine Stadt, die wegen ihres Mehls und
Strohs berühmt ist).
(Shemot Rabbah 9,4)
Wir lernen hier, daß nur ein psychologisch Vorbereiteter
durch ein Wunder beeindruckt und überzeugt werden kann. Sogar Elijah, der
sich in seinem Eifer für den Ewigen auf dieser Überzeugungsmethode bediente,
wußte, wie wichtig dieser Einfluß war. Erkannte der Pharao nicht die
Bedeutungslosigkeit der ägyptischen Magie? Nicht dies erschütterte den
Pharao, als er sagte: "Ich kenne nicht den Ewigen." Wann wurde sein
Eigensinn erschüttert? Dies werden wir im nächsten Kapitel sehen.
Weiterführende Fragen
-
Zum Thema Zeichen, Wunder und Glaubhaftmachung einer
prophetischen Mission lies Deuteronomium 13,2-6. Siehe auch Rambam in
seinem Kodex, Jesodei HaTora 8, 2-3:
... Jedem Prophet nach Moses, unserem Lehrer, dürfen wir nicht allein
wegen der Kraft der Zeichen glauben, damit wir nicht sagen: Wenn das
Wunder gelingt, werden wir auf alles, was er sagt, hören. Im Gegenteil:
wegen der Kraft der Gebote, die uns Moses in der Tora gab und weil er sagt
(Deut. 18,15): "Einen Propheten aus deiner Mitte von deinen Brüdern,
gleich mir, wird der Ewige, dein Gott, dir aufstehen lassen, auf ihn sollt
ihr hören." Ebenso wie er uns gebot, ein Urteil auf die Kraft der
Zeugenschaft zu erreichen, obwohl wir nicht wissen, ob sie die Wahrheit
bezeugt haben oder nicht, gebot er uns, auf den Propheten zu hören, auch
wenn wir nicht wissen, ob das Zeichen, das er gab, wahr ist oder Gaunerei
und Zauberei.
Wenn daher ein Prophet auftaucht, Zeichen und große Wunder ausführt, um
die Prophezeiungen unseres Lehrers Moses umzukehren, dürfen wir nicht auf
ihn hören und wir dürfen sicher sein, daß diese Zeichen durch Gaunerei und
Zauberei ausgeführt wurden. Denn die Prophezeiung unseres Lehrers Moses
ist nicht durch Zeichen glaubhaft gemacht, daß wir ein Zeichen gegen ein
anderes stellen dürfen. Sondern wir sahen es mit unseren Augen und hörten
es mit unseren Ohren, wie er es hörte.
Hier zitieren wir Moses Mendelssohns Antwort auf den
Schweizer Pfarrer Johann Kaspar Lavater, der übernatürliche Zeichen und
Wunder als Argumente zugunsten seiner Glaubenswahrheit anführte:
Gemäß den Geboten meines Glaubens sind wunderbare Akte kein Prüfstein
des Glaubens, und ein Wunder kann nicht mit moralischer Gewissheit als
Beweis akzeptiert werden, daß ein Prophet von Gott gesandt wurde. Nur die
Gabe der Tora an dem Tag, an dem das gesamte Volk von Angesicht zu
Angesicht versammelt war, stellt den authentischen Beweis dar. Denn damals
forderte der Emissär keinen Beweis seiner Mission, denn das ganze Volk
hörte die göttlichen Gebote. In der Bibel finde ich positive Beweise für
die Kraft falscher Propheten, Wunder zu tun (was können wir zum Beispiel
über die ägyptischen Zauberer sagen? Und in Deuteronomium 13,2 wird ein
Prophet oder Träumer erwähnt, auf den wir nicht hören sollen, auch wenn
seine Zeichen gelingen, und wir müssen ihn töten). Ich kann nicht
entscheiden, ob diese Wunder durch Zaubermittel oder Mißbrauch der Macht,
die für einen guten Zweck gegeben wurde, ausgeführt wurden. Auf alle Fälle
bin ich der Meinung, es kann nicht geleugnet werden, daß die Tora klar
Wunder als positive Beweise einer göttlichen Mission ablehnt.
Siehe auch den Biur:
Es heißt "Und gibt dir ein Merkmal oder Wunder." Mit anderen Worten:
auf der Szene erscheint eine Person, der sich als Abgesandter Gottes
erklärt, um die Menschen aufzufordern, anderen Göttern zu dienen. Um seine
Mission glaubhaft zu machen, prophezeit er, daß etwas Bestimmtes geschehen
wird. Auf einen solchen Propheten ist uns verboten, zu hören. Es ist ein
Axiom, daß jemand, der seine Zurückweisung der Existenz Gottes oder seiner
Weisheit, Güte und Gnade mit Zeichen und Wunder untermauert, der Sache,
die er beweisen möchte, widerspricht. Wer ein einziges der göttlichen
Attribute leugnet, leugnet alle. Zum Beispiel bedeutet eine Leugnung von
Gottes unendlicher Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit auch eine Leugnung
seiner Allmacht und Allgegenwärtigkeit. Man kann nicht ein Attribut
anerkennen und die restlichen ablehnen, denn es ist eine Ablehnung der
unteilbaren Einheit seines Namens. Wie kann so jemand behaupten, er sei
gottgesandt, um eines seiner speziellen Attribute zu leugnen! Welchen
Unterschied macht es nach einer solchen sich selbst widersprechenden
Erklärung ob sie von Zeichen oder Wundern begleitet wird?
Es scheint, Exodus 4, 1-8 und unser Kapitel (7, 9)
widerspricht Deut. 13, 2-6. Erkläre den Widerspruch und wie er mit Hilfe
des Rambams und Moses Mendelssohns ausgeglichen werden kann.
Haftara zu Wa'era: Ezechiel XXVIII, 25 - XXIX, 21
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Weitere Auslegungen:
Zum Sefer Schmoth:
Die Unterdrückung in Ägypten und das
Auftreten Moschehs
Mirjam:
Und seine Schwester stand von fern
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