Moses Hess (1812-1875)
Der Vater des Zionistischen Sozialismus
Leben
Moses Hess wurde in Bonn in einer orthodoxen juedischen Familie geboren. Sein
Grossvater erzog ihn traditionell. Um sich auch allgemein bilden zu koennen,
lernte Moses als Autodidakt Deutsch und Franzoesisch. 1837 bis 1839 studierte
Hess an der Bonner Universitaet Philosophie, schloss aber sein Studium nicht ab.
Er gehoerte zu den Gruendern der ersten sozialistischen Tageszeitung in
Koeln, von der er als Korrespondent nach Paris geschickt wurde. 1845
uebersiedelte er nach Belgien, wo er als Kommunist aktiv war. 1848/49 war er
wieder in Paris, 1849 suchte er in der Schweiz Zuflucht, dann abermals in
Belgien. 1853 kehrte er nach Paris zurueck, wo er mit kurzen Unterbrechungen den
Rest seines Lebens verbrachte. Nach dem Umsturz Napoleons III wandte er sich den
Naturwissenschaften zu, aber 1859, waehrend des Italienischen Krieges, wieder
der Politik.
Er unterstuetzte nationale Bewegungen, wurde zu Beginn des Deutsch -
Franzoesischen Krieges, 1870, aus Frankreich ausgewiesen, kehrte nach dem Krieg
wieder zurueck und beschaeftigte sich mit Kosmologie.
Nach dem Tod seines Vaters, 1851, war er durch sein Erbe in der Lage, ein
unabhaengiges Leben zu fuehren. Er heiratete seine christliche Gefaehrtin
Sybille Plesch. Moses Hess schrieb fuer die Rheinische Zeitung, die Deutsch -
Franzoesischen Jahrbuecher, die Rheinischen Jahrbuecher und „Vorwaerts Paris".
1861 bis 1863 lebte er in Deutschland, wo er dem Allgemeinen Deutschen
Arbeiterverein vorstand und sein beruehmtestes Werk veroeffentlichte: „Rom und
Jerusalem", ein Klassiker der zionistischen Theorie.
Moses Hess starb in Paris und wurde, wie er es sich gewuenscht hatte, am
juedischen Friedhof von Deutz, in der Naehe von Koeln beigesetzt. 1961 wurden
seine sterblichen Ueberreste nach Israel ueberfuehrt. Er ruht am Friedhof des
Kibbutz Kinneret neben anderen sozialistischen Zionisten wie Nachum Syrkin, Ber
Borochow und Berl Katznelson.
Werk
Hess begann als Utopischer Sozialist. Nach seiner Bekanntschaft mit Karl Marx
wandte er sich einer wissenschaftlicheren, determinierten Betrachtungsweise zu.
Sein erstes Buch, ein historisch - philosophisches Werk, war von Spinoza und der
Bibel beeinflusst. In seiner zweiten Veroeffentlichung plaedierte er fuer die
Vereinigung der drei Grossmaechte England, Frankreich und Deutschland in einem
einzigen europaeischen Staat. Hess etablierte sich als ernsthafter
Schriftsteller und als der erste wichtige deutsche Sozialist.
Hess war der Ansicht, dass freie Arbeit das auf Ausbeutung beruhende System
ersetzen sollte. Obwohl er von Marx und Engels im „Kommunistischen Manifest"
angegriffen wurde, erkannte Hess als erster Marx´ Groesse und fuehlte sich
selbst von Marx stark beeinflusst, ohne selbst ein Marxist zu werden.
Hess juedische Haltung wechslte mehrmals. In seinen Zwanzigerjahren fuehlte
er sich als Deutscher und glaubte, die Juden sollten sich assimilieren. Nach der
Vereinigung Italiens, dem Aufstieg des Nationalismus und dem Hervortreten des
deutschen Antisemitismus, kehrte Hess zu seinen juedischen Wurzeln zurueck. Sein
1862 erschienenes Buch „Rom und Jerusalem" ist der Ausdruck dieser veraenderten
Haltung. „Rom und Jerusalem" ist ein klassisches zionistisches Buch, in dem er
seine Rueckkehr zu „seinem" Volk beschreibt. Nachdem er persoenlich unter
Antisemitismus gelitten hatte, wandte er sich einem jue disch - nationalen
Konzept zu, das auf seiner Idee von „Rasse" basierte und das fuer die Bewahrung
der juedisch - nationalen Identitaet im Exil eintrat, waehrend die Juden die
politische Wiederherstellung Palaestinas anstreben sollten. Die juedische
Religion sei das beste Mittel, die juedische Nationalitaet zu bewahren, und
sollte bis zur Etablierung einer juedischen Einheit in Palaestina unveraendert
bleiben. Dann wuerde ein Sanhedrin (oberster Juedischer Gerichtshof) das
juedische Gesetz den Beduerfnissen der neuen Gesellschaft anpassen.
Die Grundlagen des zukuenftigen juedischen Staates seien der nationale
Landerwerb, die Schaffung legaler Bedingungen, um mit der Arbeit ueberhaupt
beginnen zu koennen, und die Gruendung juedischer Koerperschaften fuer
Landwirtschaft, Industrie und Handel.
Moses Hess' Werk war fuer eine geraume Zeit vergessen, aber mit der Geburt
der Zionistischen Bewegung kehrte es in die Erinnerung zurueck. In den Achtziger
Jahren des 19. Jahrhunderts begannen Artikel ueber Hess und Uebersetzungen
seiner Buecher zu erscheinen. Martin Buber gab eine Werkauswahl heraus, die ins
Polnische und Hebraeische uebertragen wurde.
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Bearbeitung: Dr. Chani Hinker
Updated: 11/12/00