Ber Borochov (1881-1917)
Sozialist und Zionist
Leben
Der in der Ukraine geborene Borochov wurde in einer russischen Schule
unterrichtet. Der gute Schueler wurde von den revolutionaeren sozialistischen
Bestrebungen seiner Zeit angezogen. Wie die meisten juedischen
Gymnasialabsolventen hatte auch er keine Chance, an einer russischen
Universitaet zu studieren. Er war auf vielen Gebieten ein Autodidakt und sprach
mehrere Sprachen.
1901 veranlasste ihn sein Interesse an juedischen Problemen, die Zionistische
Sozialistische Arbeiterunion zu gruenden. Da diese Organisation in der
juedischen Selbstverteidigung aktiv war, wurde sie von den russischen
Sozialdemokraten und einigen zionistischen Fuehrern abgelehnt, die die
Kombination von Zionismus und Sozialismus missbilligten.
Waehrend der Auseinandersetzungen um den Uganda Plan, schloss sich Borochov
der Meinung Menachem Ussishkins an, der jedes andere Territorium als Eretz
Israel ablehnte. Am Siebenten Zionistischen Kongress, 1905, leitete er den Teil
der Poalei Zion Delegierten, der sich gegen Uganda aussprach. Am Achten
Kongress, zwei Jahre spaeter, foerderte er den Rueckzug der russischen Poalei
Zion aus der Zionistischen Organisation. Von nun an bis zum Ausbruch des Ersten
Weltkrieges warb Borochov in Mittel- und Westeuropa fuer die Ziele der Poalei
Zion Weltunion.
1914 kam Borochov in die USA, wo er Sprecher der amerikanischen Poalei Zion,
des Juedischen Weltkongresses und des amerikanischen Juedischen Kongresses war.
Am Vorabend der Revolution kehrte er nach Russland zurueck, um bei der
Formulierung der juedischen Anliegen fuer die nachrevolutionaere Weltordnung zu
helfen. Er war intensiv mit oeffentlichen Aktivitaeten beschaeftigt, die zur
Oktoberrevolution fuehrten.
Im August 1917 wandte er sich an die russische Poalei Zion Konferenz und
rief zur Gruendung sozialistischer Siedlungen in Eretz Israel auf.
Borochov befand sich fuer die Poalei Zion auf einer Vortragsreise, als er an
Lungenentzuendung erkrankte und in Kiew starb.
1963 wurden seine sterblichen Ueberreste am Friedhof des Kibbutz Kinneret
neben den anderen Gruendern des sozialistischen Zionismus bestattet.
Werk
Der Autodidakt Borochov, mit seinem Wissen ueber juedische Geschichte,
Wirtschaft, Struktur, Sprache und Kultur, war ein brillianter Analytiker. Sein
wichtigster theoretischer Beitrag ist die Synthese von Klassenkampf und
Nationalismus, zu einer Zeit, als der Marxismus jeden Nationalismus verwarf, vor
allem den juedischen. Die juedische Massenwanderung war fuer Borochov der
zwangslaeufige Ausdruck des inneren Antriebes des juedischen Proletariats, die
Probleme, die durch das Leben in der Diaspora entstanden waren, zu loesen. Nur
die Bemuehungen der Pioniere in Eretz Israel konnten die Fortsetzung der
Diaspora aufhalten.
Zu einer Zeit, als andere dogmatisch und engstirnig dachten, war seine
Anschauung universal. Er versuchte, die versteckten Wurzeln des juedischen
Problems zu bestimmen, die fuer ihn in der Tatsache zu suchen waren, dass das
juedische Volk von seinem Heimatland getrennt war. Seine scharfsinnige Analyse
ueber die Auswirkungen der Diaspora beschaeftigte sich auch mit der
Assimilation, die die juedische Kraft teilt und letztlich die Spannungen
zwischen Juden und Nichtjuden verstaerkt.
Obwohl er sich der Bedrohung durch Antisemitismus bewusst war, sah er ihn
nicht als Basis oder Motivation des Zionismus. Er betrachtete vielmehr die
Diaspora als Anomalie, die die Juden wirtschaftlich minderwertig und politisch
hilflos machte. Nur die „Autoemanzipation" oder die Selbstbefreiung konnte das
juedische Problem loesen. Wenn die Juden dem Pfad des sozialistischen
Internationalismus folgten, wuerden sie aus der Diaspora herausfinden.
Fuer Borochov waren Zionismus und Sozialismus aufeinander bezogen. Sie
dienten demselben Zweck, das juedische Leben wieder produktiv zu machen. Der
erste Schritt war, die juedische Wanderung in ein „neues Territorium", nach
Eretz Israel, zu ermoeglichen. Der juedische Arbeiter war der Pionier der
juedischen Zukunft.
Borochov begann 1902, am Hoehepunkt der Ugandadebatte, zu schreiben. Sein
politisches Werk bezog sich auf ein reiches Sortiment an Themen, von der Rolle
der juedischen Arbeiterbewegung bis zu den sozialen Implikationen der juedischen
Massenwanderung. Er trug auch zur russischen Juedischen Enzyklopaedie bei und
fertigte eine jiddische Bibliographie an.
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Updated: 11/12/00