Naphtali Zwi Judah Berlin (1817-1893)
Oberhaupt der Jeschiwa von Woloschin und Mitglied der Chibbat Zion Bewegung
Der nach den Initialen seines Namens "Nezib" genannte Rabbiner Berlin wurde
in Mir geboren und galt bereits in seiner Jugend als grosser Talmudgelehrter.
1831 heiratete er die Tochter von Rabbiner Isaak Ben Chaim Woloschiner, des
Oberhauptes der Jeschiwa von Woloschin. Als sein Schwiegervater 1854 starb,
folgte im Berlin als Leiter der Jeschiwa, die er in ein geistiges Zentrum fuer
die Juden Russlands verwandelte. Zu seiner Zeit besuchten mehr als 400 Studenten
seine Schule, die von Berlin den gesamten Babylonischen Talmud ohne Auslassungen
und mit seinen eigenen Kommentaren lernten. Auf diese Weise folgte er der
Methode des Gaon von Wilna, vermied haarspalterischen Pilpul, widmete sich den
grundlegenden Textbedeutungen und suchte parallele Stellen im Jerusalemer Talmud
und im Midrasch. Grosse Bedeutung hatte das Studium der Literatur der Geonim und
der Gelehrten aus der vortalmudischen Zeit. Er legte Wert auf die Interpretation
der Bibel und unterrichtete regelmaessig den Wochenabschnitt, eine unuebliche
Einfuehrung in einer Jeschiwa seiner Zeit. Sein Torakommentar "HaAmek Dawar"
wurde in Wilna herausgegeben.
Berlin war vierzig Jahre lang Oberhaupt der
Woloschiner Jeschiwa und widmete ihr seine
Energien. Er lehnte jede Modernisierung ab, vor
allem den von den russischen Maskilim
geforderten Unterricht in allgemeinen Faechern.
Er fuerchtete, solche Neuerungen wuerden vom
wahren Zweck einer Jeschiwa ablenken: die
Ausbildung traditioneller Gelehrter. Er negierte
weltliches Lernen nicht, betrachtete jedoch das
Studium der Tora und die Erziehung talmudischer
Experten als Grundlage der juedischen Existenz.
Er liebte seine Studenten vaeterlich und seine Studenten liebten ihn, auch
jene, die spaeter seinen Weg verliessen. Chaim
Nachman Bialiks Gedicht "Ha Matmid" - "Der
Talmudschueler" reflektiert die Eindruecke
seiner Studententage in Woloschin. Bialik
beschreibt die herzliche Perseonlichkeit des
Jeschiwaoberhauptes und betont seine grosse
Liebe.
Berlin war an der allgemeinen juedischen Gemeinde und ihren Noeten
interessiert und veroeffentlichte viele Responsen in unterschiedlichen
Angelegenheiten. Er lehnte die Forderungen einiger religioeser Kreise ab,
separatistische orthodoxe Gemeinden zu gruenden, betonend, ein solcher Rat
ist so schmerzvoll wie ein Dolch im Koerper des Volkes, denn alle Juden sind
aufgefordert, eine Einheit zu bilden."
Berlin schloss sich der Chibbat Zion Bewegung ab ihrer Gruendung an.
Anlaesslich der Konferenz von Druzgenik, 1887, wurde er zum beratenden Mitglied
der Exekutive gewaehlt. In vielen Briefen bat er religioese Juden, sich Chibbat
Zion anzuschliessen und die Siedlungen in Eretz Israel zu unterstuetzen, auch
wenn es sich um nichtreligioese Siedlungen handle.
"Unsere Beitraege gehen nicht das Land der Philister besiedeln, sondern
restaurieren die Trostlosigkeit unseres Heiligen Landes, damit die Tora und ihre
Gebote von den Bewohnern beobachtet werden."
Er forderte, ein Religioeser solle die Oberaufsicht ueber die Siedlungen
erhalten, um sicherzustellen, sie wuerden sich gemaess der Tora verhalten. Er
schlug auch vor, nichtreligioese Siedler (wie die Mitglieder der BILU Bewegung)
sollten in ihre Ursprungslaender zurueckkehren koennen. Ihr Platz koenne von
Juden aus dem alten Jischuw in Jerusalem eingenommen werden. Spaeter nahm er
diesen Vorschlag zurueck und verteidigte sogar die Biluim, da sie ihren Weg
verbessert haetten.
Die Erlaubnis anderer Rabbiner fuer die Bestellung der Felder waehrend des
Schabbatjahres durch den formalen Verkauf an Nichtjuden lehnte er ab.
Seine letzten Jahre waren durch einen Konflikt mit den russischen Behoerden
ueberschattet, die die Zahl der Studenten seiner Jeschiwa senken und weltliche
Faecher einfuehren wollten. Gegen seinen Willen reduzierte er die Studenten und
nahm den Russischunterricht in den Lehrplan auf. Doch auch nach dieser Massnahme
uberstieg seine Studentenzahl die von der russischen Regierung genehmigte um das
Doppelte. Die Woloschiner Jeschiwa wurde daraufhin 1892 von den Behoerden
geschlossen, Berlin und seine Familie exiliert, die sich zuerst nach Minsk und
danach nach Warschau wandte. Diese Ereignisse erschuetterten Berlins Gesundheit
so sehr, das er sich seinen Wunsch, nach Eretz Israel zu gehen, nicht erfuellen
konnte. Berlin starb eineinhalb Jahre nach der Schliessung der Jeschiwa in
Warschau.
Seine Soehne waren Rabbiner Chaim Berlin und Rabbiner Meir Bar-Ilan.
[Top] [Persoenlichkeiten]
[Das Jahrhundert des
Zionismus] [Homepage]
The
Pedagogic Center
Direktor: Dr. Motti Friedman
Web Site Manager:
Esther Carciente,
esthers@jajz-ed.org.il
Bearbeitung: Dr. Chani Hinker
Updated: 11/12/00